Studieren mit Kind – und während Corona

Studierende mit Kind müssen sich gut organisieren und mit ihrer Energie haushalten. Und damit klar kommen, dass mit einem Kind Pläne nicht immer aufgehen. Mit der Corona-Pandemie kommt ein weiterer unberechenbarer Faktor dazu. Ein Corona-Rückblick aus der Sicht von Eltern, Kindern und Kitas erzählt von den Hürden aber auch Freuden der letzten Monate, davon, warum ein Kind wunderbar ist und die Work-Life-Balance verbessern kann, und wie das Studierendenwerk hilft, Studium, Kind und Corona unter einen Hut zu bringen.

„Eigentlich wollte ich im April wieder mit meinem Medizinstudium durchstarten“, erzählt Jenny Holzhäuer und wirkt zunächst etwas unsicher, als sie das sagt. Doch im Laufe des Gesprächs zeigt sich schnell, dass die 35-jährige Mutter eines kleinen Sohnes in sich ruht und viel Lebenserfahrung hat, vor allem wenn es darum geht, sich in neue Situationen einzufinden. Gerade kommt sie von der Arbeit und hatte einen stressigen Tag. „Ich habe mir jetzt erst einmal eine heiße Schokolade gegönnt“, sagt sie lächelnd und zeigt auf ihren To-Go-Becher in der Hand.

Und dann kam Corona

Rückblick März 2020: Nach einer Arbeits- und Babypause – Sohn Konstantin ist jetzt zweieinhalb Jahre alt – will sich Jenny im Sommersemester wieder um ihr Medizinstudium kümmern. Sie freut sich richtig darauf und hat sich mit Elan vorbereitet. Und dann kommt Corona. Die Kitas schließen und das Semester wird abgesagt. Ein herber Schlag, doch Jenny stellt ihre Pläne um und will in einem Krankenhaus als „Coronahilfe“ arbeiten. Zu Anfang des Lockdowns dürfen in den Kitas aber nur Kinder betreut werden, deren Eltern beide in systemrelevanten Berufen arbeiten – Ehemann Johannes arbeitet in der IT-Branche.

Jenny spricht mit ihrer Kita, „Hänsel & Gretel“ in Milbertshofen. Diese ist eine von 20 Kitas des Studierendenwerks München Oberbayern, die über den Trägerverein „Eltern-Kind-Initiativen e.V.“ organisiert und verwaltet werden. Die Abteilung Studieren mit Kind des Studierendenwerks setzt sich zu der Zeit mit aller Kraft auf allen relevanten Ebenen – Ministerium, Hochschulen, Landtagsabgeordnete, Frauenbeauftragte – dafür ein, dass auch Kinder mit nur einem systemrelevanten Elternteil betreut werden dürfen. Das betrifft auch alleinerziehende Studierende. Mit Erfolg: Die Regelungen werden erweitert, auch der kleine Konstantin darf in die Betreuung und Jenny arbeitet ab April für mehrere Monate auf einer Corona-Intensivstation.

 

Studentin Jenny mit Sohn Konstantin über Ehrgeiz und Erfolg: „Man muss lernen, dass es ein ,perfektʻ nicht gibt. Perfekt ist nicht nur die tolle Party oder die gute Prüfung. Für mich ist perfekt, wenn ich einen schönen Tag hatte und Freude mit meinem Kind – das ist das neue ,perfektʻ.“

 

Wir bleiben in Kontakt!

Die Lockdown-Regelung wird an einem Freitagnachmittag verkündet und tritt Montag in Kraft. Ab dann gibt es in allen Kitas eine Notbetreuung, die in jeder Kita anders aussieht: In die Kita Herzerl beispielsweise, die ans Herzzentrum München angebunden ist, kommen weiterhin viele Kinder, da viele Eltern als Ärzte oder Pflegekräfte arbeiten. In seiner Kita ist Konstantin das einzige von zwölf Kindern, das betreut wird. Für ihn und alle anderen Kinder bedeutete das von heute auf morgen eine große Umstellung. Er ist plötzlich alleine, die anderen sind plötzlich zu Hause. Die festen Strukturen, die den Kindern einen Handlungsrahmen und dadurch Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeit geben, stehen auf wackeligen Beinen. Die Krise stellt auf einen Schlag vieles auf den Kopf – den Alltag, die Arbeit, das Familienleben.

Um den Kindern die Unsicherheiten zu nehmen, lassen sich die rund 150 Mitarbeiter/-innen der 20 Studierendenwerks-Kitas einiges einfallen: Da werden Bastelanleitungen an die Eltern geschickt und Telefonate geführt. Der Morgenkreis, also das morgendliche Begrüßungsritual, wird nachgestellt, von den Erzieherinnen gefilmt und an die Eltern verschickt. Oder Lieder werden für die Kinder gesungen und aufgenommen. „Das war ganz klar eine besondere Situation für alle. Aber im Prinzip gehört es zur Konzeption aller unserer Kitas, die Themen der Kinder aufzugreifen“, so Regina Sueß-Willke, Bereichsleitung von einem Teil der 20 Kitas. „Beschäftigt die Kleinen etwas Bestimmtes, machen die Erzieher/ -innen ein entsprechendes pädagogisches Angebot dazu.“

Das Virus als Glitzer

Doch wie erklärt man kindgerecht, was Corona ist und warum man jetzt ständig Hände waschen und Abstand halten muss? Wie kann man die Gefahr bewusst machen, ohne Ängste auszulösen? Die Kita Herzerl findet einen tollen Weg, den Kinder spielerisch die Situation verständlich zu machen: In einem Kreis sitzend bekommt jedes Kind Glitzerpulver in einer anderen Farbe auf die Handfläche. Der Glitzer steht symbolisch für Bakterien und Viren. Mit dem Kinderlied „Taler, Taler, du musst wandern ... von der einen Hand zur andern“ wird eine Plastikmünze weitergereicht – und siehe da: Am Taler sind nach kurzer Zeit alle Glitzerfarben vorhanden. Glitzerpartikel in rot, grün, blau, silber, pink. Jedes Kind kann genau sehen, welche Farbe von ihm selbst weitergereicht wurde. Und damit war allen klar, wie sich Krankheitserreger übertragen und was man mit Händewaschen bewirken kann.

So viel Kreativität, so viel Aufwand

Das Aufkommen des CoronaVirus bedeutet auch für die Mitarbeiter/-innen der Studierendenwerks-Kitas eine sehr große Umstellung in wahnsinnig kurzer Zeit. „Durch die reduzierte Anzahl an zu betreuenden Kindern waren manche Erzieherinnen eine Zeit lang abrufbereit im Homeoffice. Andere waren vor Ort, bereiteten den nächsten Elternabend vor, ergänzten selbst gemachtes Spielmaterial wie Vorlesekarten oder fuhren in die Kita, um Stofftiere und Material zu waschen oder kleine Dinge zu reparieren“, so Regina Sueß-Willke. Organisatorisch brachte die Corona-Situation sehr viel Aufwand mit sich, erklärt sie. Beispielsweise musste sie täglich den unterschiedlichen Aufsichtsbehörden Informationen zu allen Kitas melden. Vor allem aber waren die Hygieneregeln in ihrer Umsetzung mit steigender Kinderzahl in den Kitas sehr aufwändig. Erst im Juli durfte der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden. „Die Freude war für die Erzieher/-innen und Kinder riesig, sie haben sich alle sehr vermisst!“

Ob die Situation nun einfacher wäre, wenn wieder einen Lockdown kommen würde? „Schwer zu sagen.“ Alle seien jetzt natürlich geübter und für das ein oder andere Problem wurden bereits Lösungen erarbeitet, so Regina Sueß-Willke. Insgesamt sei die Anspannung jedoch hoch und auch bei manchen Erzieherinnen gäbe es Unsicherheiten. „Wir müssen schauen, dass wir den Kindern, den Eltern und den Mitarbeiter/-innen gerecht werden. Wir haben bisher alles gut gemeistert. Es sind schöne und kreativen Ideen entstanden und zum Glück werden die Teams durch die vielen positiven Rückmeldungen der Eltern in ihrer täglichen Arbeit gestärkt. Dennoch: Alles in allem befinden wir uns in einer weiterhin sehr belastenden Zeit.“

 

Wir sind für Sie da

Irgendeine Form von Belastung spürt derzeit wohl jeder. Das Studierendenwerk München Oberbayern bietet Studierenden die Möglichkeit, sich kostenlos und vertraulich Hilfe über dessen Beratungszentrum zu holen. Das Angebot reicht von der finanziellen über die Psychotherapeutische Beratung bis hin zu Workshops. Auch ein Beratungsangebot speziell für Studierende mit Kind ist vorhanden. Hilfreich für Eltern sind zudem Infotage in den Kitas und die regelmäßig stattfindenden Familiencafés, dieses Jahr erstmals online. Hier werden viele Fragen geklärt und die Eltern können sich austauschen und vernetzen.

Jenny hat selbst die Erfahrung gemacht, dass die Angebote des Studierendenwerks eine große Unterstützung sind. Der Stressmanagement-Kurs speziell für Studierende mit Kind habe ihr zum Beispiel sehr geholfen, sagt sie. Und ohne den KitaPlatz beim Studierendenwerk wäre ihr Studium nicht möglich. „Die Erzieherinnen sind toll und ich habe vollstes Vertrauen in sie.“

Durch die Hilfe, die sie bekommt und auch annimmt, reflektiert sie ihr Leben ganz klar: „Ich wollte die Familie nicht hinter das Studium stellen, sondern beides. Ich bereue es nicht, während des Studiums Mutter geworden zu sein, zu keiner Zeit ist man so flexibel wie im Studium. Außerdem wird die Work-Life-Balance besser mit Kind. Du lernst, zu entstressen, dich zu fokussieren, Sachen entspannt zu sehen. Wenn ich zurückblicke auf mein jetziges Leben ist Konstantin meine größte Leistung und meine Familie die Entscheidung im Leben, die mich am glücklichsten macht.“

 

Tipps für Studierende mit Kind

Beratung und Hilfe:

Beratungszentrum des Studierendenwerks München Oberbayern
Sonja Simnacher
Tel.: +49 89 38196-1510
E-Mail: sonja.simnacher@stwm.de

Beratungszeiten:
Do, 14.00 bis 17.00 Uhr
Fr 10.00 bis 13.00 Uhr
www.stwm.de/beratung

 

Info-Broschüre

Viele Informationen zu den Themen Beratung, Finanzierung und Kinderbetreuung finden Sie in der Broschüre "Wegweiser für Studierende mit Kind".

 

 

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